Schöpfung

Schöpfung
   steht als Begriff heute vielfach für den Planeten Erde, der auch für künftige Generationen bewohnbar erhalten werden muß (Umwelt, Ökologie). Als theol. Begriff meint Sch. umfassend das Nichtgöttliche sowie dessen Verhältnis zu Gott bzw. das Verhältnis Gottes zu diesem.
   1. Zu den biblischen Grundlagen. Aufgrund jahrhundertealter Erfahrungen mit seinem Gott reflektierte Israel in einer Art Rückschlußverfahren, in das die Götter- u. Weltvorstellungen der Umwelt einbezogen waren, auf einen ”jetzigen“ unheilen Zustand, auf die Frage, was dieser mit Gott zu tun habe (Urgeschichte, Ätiologie), auf einen möglichen idealen Entwurf (Paradies), auf seinen Gott u. dessen Verhältnis zum Nichtgöttlichen (Schöpfungsmythen und biblische Schöpfungserzählungen ). Die daraus resultierenden Aussagen des AT über die Sch. setzen ein bereits ausgeprägtes Bekenntnis zum Monotheismus voraus. Sie besagen, daß der eine u. einzige Gott ohne Verwendung vorliegender Materialien u. Strukturen durch sein Wort u. unter Mitwirkung seines Geistes das Universum als Lebenshaus für die Menschen geschaffen habe. Das Universum wird konkret benannt: Licht u. Finsternis, die ”Lichter“ am Himmel, das Firmament, die Tiere im Meer u. die Vögel, das trockene Land u. die Pflanzen, die Tiere auf dem Land u. die Menschen (nur bei ihnen bedient Gott sich des bereits Geschaffenen; so wird der Zusammenhang der Menschen mit der Natur deutlich). Das ”Lebenshaus“ wird entsprechend einer fortgeschrittenen Agrar- u. Gartenkultur geschildert. Die ältere Version geht im Zusammenhang der Sündenfälle von einer schuldhaft verdorbenen Sch. u. von der Kompromißbereitschaft Gottes, mit diesem Zustand zu leben (Gen 9), aus, während die jüngere Version mit Gottes wiederholtem Urteil über die Güte der Sch. u. mit seiner Sabbatruhe auf das denkbare Ideal zu sprechen kommt (E. Zenger). Über die Erzählungen von der Sch. hinaus enthält das AT viele Zeugnisse des Glaubens, daß Gott dieWelt u. ihre Ordnungen um Israels willen erschaffen hat u. unter Mitsorge durch die Menschen erhält. Besonders in der Weisheitsliteratur werden Sinnhaftigkeit u. Schönheit der Sch. gerühmt, aber auch unbeantwortbare Fragen nach der Herkunft des Bösen u. des Todes gestellt. Eine ausdrückliche Formulierung, daß Gott alles aus dem Nichts erschaffen habe, findet sich 2 Makk 7, 28. In Zeiten äußerster Not u. Bedrängnis des Eigentumsvolkes Gottes gilt die Sch. so sehr als deformiert durch Treulosigkeit u. Gottesfeindschaft von Menschen, daß eine neue oder von Grund auf erneuerte Schöpfung in Aussicht gestellt wird (Jes 65, 17–25; so auch im frühjüdischen apokalyptischen Schrifttum). – Diese Schöpfungsauffassungen des AT sind im NT voll erhalten, wobei Spuren der Beschäftigung mit griechischem (auch polytheistischem) Gedankengut auftreten (Apg 14, 15–17; 1 Thess 1, 9 f.; Röm 1, 20). Die Verkündigung Jesu war vom Bekenntnis zur weitergehenden Fürsorge Gottes für seine gute Sch. geprägt. Zusätzlich zu dem Bekenntnis, daß alles aus Gott, in Gott u. auf ihn hin ist (Röm 11, 36), wird im NT Jesus Christus bzw. das in ihm Mensch gewordene Wort Gottes bzw. die in ihm verkörperte Weisheit Gottes als präexistenter Schöpfungsmittler dargestellt (1 Kor 8, 6; Kol 1, 15–20; Hebr 1,1–4; Joh 1, 1–18), dem nach seiner Erhöhung ”alles unterworfen“ ist (vor allem 1 Kor 15, 24–28). Das Leben aus dem Glauben, aus dem Heiligen Geist u. aus der Taufe wird als Neuschöpfung in Christus aufgefaßt (Gal 6, 15; 2 Kor 5, 17; Eph 2, 15; Kol , 10). Die gesamte jetzt erfahrene alte Sch. leidet an einem unerlösten Zustand, dem künftige Erlösung verheißen wird (Röm 8, 18–23). Mit dieser alten Welt sollen sich die Glaubenden nicht gleichförmig machen, denn ihre Gestalt wird vergehen (1 Kor 7, 29 ff.). Aus der Prophetie des AT nimmt Offb 21 das Thema einer neuen Sch. auf.
   2. Systematische Aspekte. a) Fundamentaler Zugang. Die folgenden Aspekte verstehen sich nicht als ”idealistisches“ Konstrukt einer Natürlichen Theologie , sondern als Reflexion auf die vernommene Offenbarung Gottes.Wenn einMensch in jeder einzelnen Aussage implizit als realen Grund der Möglichkeit jeder Aussage, als schweigenden Horizont jeder geistigen Begegnung mit Wirklichkeiten das absolute Sein u. dieses als Geheimnis u. als Person bejaht – dieses ”namenlose Geheimnis“ wird Gott “ genannt (Transzendentaltheologie) –, dann sagt er implizit in jeder Aussage: Dieser unumgreifliche Grund allerWirklichkeit ist unendlich verschieden vom endlichen begreifenden menschlichen Subjekt. In diesem Zugang liegt der Ansatz zum Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer: Als der Absolute u. Unendliche muß er vom Endlichen schlechthin unterschieden sein (sonst wäre er Gegenstand einer begreifenden Erkenntnis, nicht der immer ”darüber hinausliegende“ Grund des Begreifens). Damit ist aber auch gesagt, daß Gott der endlichen Wirklichkeit (in der Bibel u. in der Alltagssprache auch ”Welt“ genannt) nicht bedarf, denn sonst wäre er nicht wirklich von ihr verschieden, sondern ein Teil eines umfassenderen Ganzen. So etwas wurde in der Geistesgeschichte immer wieder gedacht: Pantheismus, Emanation. Die ”Welt“ muß radikal von Gott abhängen (ohne daß er von ihr, etwa wie ein Chef von einem Angestellten, abhängig wäre). Sie kann nichts an sich haben, was seinsmäßig von ihm unabhängig wäre. Diese Abhängigkeit des Nichtgöttlichen von Gott muß von Gott frei gesetzt sein, denn als endliche u. werdendeWirklichkeit kann es nicht notwendig sein. Seine Notwendigkeit könnte ja nur aus der Notwendigkeit einer ”Setzung“ in Gott herstammen, so daß Gott nicht unabhängig wäre. Die völlige Abhängigkeit des Nichtgöttlichen muß eine dauernde sein, kann also nicht nur den Anfang betreffen, denn das Endliche verweist je jetzt u. immer auf das Absolute als seinen Grund. Dieses eigentümliche u. einmalige Verhältnis Gottes zum Nichtgöttlichen ist nicht ein ”Fall“ einer allgemeinen Kausalität. Es heißt in der Glaubenslehre in dem Sinn das Geschaffensein der Welt, daß sie dauernd gründet in der freien Setzung des personalen Gottes, so daß sie restlos u. in jedem Augenblick von ihm abhängig ist (Erhaltung derWelt , Mitwirkung Gottes ). Mit dem radikalen Unterschied des Nichtgöttlichen von Gott, mit dem dauernden Gegründetsein u. der dauernden Abhängigkeit ist gegeben, daß das Nichtgöttliche nicht aus schon vorhandenem Stoff gebildet wurde; es ist also aus nichts. Durch die Setzung ist das Gesetzte aber eine echte, von Gott verschiedene Wirklichkeit, so daß radikale Abhängigkeit u. echte Wirklichkeit in gleichem Maß wachsen. Die ”autonome“, verantwortliche Wirklichkeit des Geschöpfs ist völlig in die unverfügbare Verfügung des absoluten Geheimnisses überantwortet, so daß die Erfahrung von Eigenständigkeit u. von Abhängigkeit zugleich in die Anbetung des Schöpfergottes einmünden. Ein wesentlichesMoment an der Eigenständigkeit des Nichtgöttlichen ist die ihm vom transzendenten Grund immanent eingestiftete Befähigung zur Selbsttranszendenz (Erschaffung des Menschen ; Evolution). Im Glaubensverständnis Gottes als des einen Grundes aller nichtgöttlichen Wirklichkeit ist der Gedanke an einen zweiten Grund völlig ausgeschlossen; der Schöpfungsglaube ist mit einem radikalen Dualismus nicht vereinbar. Der biblische Schöpfungsglaube bedeutet gleichzeitig eine ”Entmythologisierung “ der nichtmenschlichenWelt (Natur): sie ist nicht Gott, sie ist nicht ”numinos“; sie ist den Menschen zur sorgfältigen Behütung u. Gestaltung anvertraut. Die Sch. ist im Sinn der Hervorbringung geist-begabter Empfänger der gnadenhaften Selbstmitteilung Gottes ”anthropozentrisch “, in allen ihren Aspekten betrachtet ist sie aber weder anthropozentrisch noch kosmo- oder biozentrisch, sondern theozentrisch. In Wellen der Erwartung eines baldigen ”Weltuntergangs“ entstanden immer neue Impulse der Weltflucht, der Sehnsucht nach dem ”Jenseits“ als der ”eigentlichen“ Heimat der Christen (nicht so bei den Juden). Schon im kirchlichen Altertum verbanden sich diese Erwartungen mit der Theorie von der alt u. müde gewordenen Sch. Die gegenwärtigen Anstrengungen zur Erhaltung der Sch. können auch als Reaktionen auf diese Abwertungen der Sch. verstanden werden. – b) Weitere Einzelaspekte. Die Erfahrungen der Unlösbarkeit der Theodizee-Probleme führen die überlieferten Redeweisen vom fortdauernden Schöpferwirken u. von der Vorsehung Gottes in eine Krise, die nur zum Teil damit beantwortet ist, daß Gott für das Da-Sein des Nichtgöttlichen, nicht aber für dessen So-Sein verantwortlich sei, denn wenn der zerstörerische Zustand des So-Seins der Schöpfung auf die menschliche Freiheit zurückzuführen ist, dann trägt Gott dafür doch die Verantwortung als Schöpfer dieser Freiheit. Die Verheißung einer Erneuerung u. der Vollendung der Sch. gewinnt von da her neue Aktualität. – Die Bemühungen der Physik (Astrophysik) um den ”Urknall“ können nicht zum Schöpfungsakt selber ”zurückführen“, denn sie können nur dem ”gesetzten Anfang“, nicht der ”Setzung des Anfangs“ gelten. Mit der Sch. ”setzte“ Gott erst die Zeit (so daß die theol. Frage, was Gott ”vor“ der Sch. tat, sinnlos ist; auch trinitarische Spekulationen über ein innergöttliches Geschehen ”vor“ der Sch. erübrigen sich). – Vgl. auch Erkennbarkeit Gottes ; Kosmologie .

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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